Kuno Raeber

aus: Reduktionen.in Werke Band 1. Gedichte. München und Wien 2002 (Pflichtlektüre für alle Klassen und Schichten, sag ich mal)

 

Jenseits

 

Erhaben und

beladen mit Schmuck mit

Geschmeide und Steinen

über die Wüste.

Und dann die Düne und nur

noch eine kleine Erhebung. Der Falter

winzig und weiß in den Gärten

jenseits des Flugsands.

Gwendolyn MacEwen

ein buch, das fast unbeachtet blieb, ist der gedichtband Die T.E. Lawrence Gedichte der kanadierin Mac Ewen. 2010 erschien eine zweisprachige ausgabe (ü. Christine Koschel) bei der edition rugerup

Lügengeschichten

Es wurde behauptet, ich lüge manchmal oder biege mir
die Wahrheit zurecht. Bin ich wirklich 650 km alleine
durch türkisches Gebiet gereist oder nicht?
Ich möchte wissen, ob das irgendwen
etwas angeht. Syrien ist noch immer da,
und die lange Lüge, die der Krieg war.

Gab es ein Plakat von mir mit einem Kopfgeld für meine Festnahme,
und stand ich wirklich dort und glotzte mich selber an,
forderte jedermann heraus, mich zu erkennen ? Erwäge
Wahrheit und Unwahrheit, erwäge, warum man
von den Schauplätzen des Krieges spricht. Jeder
von uns spielte seine Rolle mit ganzer Seele.

Dichter spielen nur mit den Worten, weißt du; auch sie
sind Meister der Lüge, der Großen Fiktion.
Dichter und Männer wie ich, die um etwas kämpfen,
was in den Worten erfaßt ist, doch nicht um Worte.

Was, wenn das ganze Schauspiel Lüge war, und das war es auch,
verdammt –
würde ich dich weiter belügen? Klar würde ich das.

Abbitten

Ich wählte Arabien nicht; es wählte mich. Das schäbige Geld,
Das die Wüste uns anbot, kaufte Lügen, kaufte Sieg.
Was tat ich, dieser beschmutzte Außenseiter,
Unter ihnen? Ich wurde nicht zu einem der ihren, egal
Was du denkst. Sie fanden es leichter, meine Art
des Arabischen zu lernen, als mir die ihre beizubringen.
Und sie waren alle verrückt; sie bestiegen ihre Pferde und Kamele
von rechts.

Doch die Doppelreiche in meinem Geist führten ewigen Krieg;
Die verwegenen Beduinen und der zivilisierte Engländer
kämpften um die Führung, so daß ich, gleich was
auch immer ich war,
In eine dumpfe Leere fiel, die nicht einmal ein falscher Gott
ausfüllen konnte,
bewohnen konnte.

Die Araber sind Kinder der Idee; laß eine Idee
Vor ihnen baumeln, und du kannst sie sonstwohin mitreißen.
Auch ich war ein Kind der Idee; ich wollte
keine Freiheit für mich selbst, sondern sie
Ihnen bescheren. Ich wollte ihnen ein Geschenk machen, so edel,
daß es alle anderen Geschenke in ihren Augen würde
überstrahlen;
es würde würdig sein. Dann endlich könnte ich
Leer sein.

Du kannst dir nicht vorstellen, wie schön es ist, leer zu sein.
Aus dieser grandiosen Leere müssen gewiß wundervolle Dinge
Gestalt annehmen.
Als wir aufbrachen, war es Morgen. Wir ahnten kaum,
Daß wir beim Weiterziehen keine Armee mehr wären, sondern eine Welt.

Rimbereid/Papenfuß

Ick lausche

in den Dämmerungsrand dieser Stadt,

die ick nur durch Worte der anderen kenne,

die ’ne stabile Turbine jewesen is,

sich summend drehend unter den Veränderungen,

ein Bild des Fortschritts

ein Bild hochhaltend,

….

Chronik der Zone Greifswalder Bodden und Anrainerplattformen

roughbook  025

ein langgedicht/epos/poem übersetzt ins berliner deutsch und jede seite eine erfüllung

bei der edition rugerup erschin bereits rimbereids gedichtband herbarium, auch das war schon ein genuss

Hochroth

neben vielen spannenden neuen publikationen des verlages hochroth  scheinen mir diese beiden besonders interessant.
Wilfried Owen: Befremdliche Begegnung, Gedichte, aus dem Englischen und mit einem Nachwort von Johannes CS Frank

die texte owens konnte ich vor der drucklegung schon lesen, und ich war sehr beeindruckt. im gegensatz zu anderen war poets fehlt hier alles nationalpathetische

und das folgende reizt mich aufgrund eine alten liebe zu claire goll, ihrem roman Der Neger Jupiter raubt Europa und ihrer autobiografie
Claire Goll: Tagebuch eines Pferdes, Ein Gedicht in Prosa, Nachdruck der Ausgabe von 1952

DULCE ET DECORUM EST

by WILFRED OWEN

Bent double, like old beggars under sacks,

Knock-kneed, coughing like hags, we cursed through sludge,

Till on the haunting flares we turned our backs

And towards our distant rest began to trudge.

Men marched asleep. Many had lost their boots

But limped on, blood-shod. All went lame; all blind;

Drunk with fatigue; deaf even to the hoots

Of tired, outstripped Five-Nines that dropped behind.

Gas! Gas! Quick, boys!—An ecstasy of fumbling,

Fitting the clumsy helmets just in time;

But someone still was yelling out and stumbling,

And flound’ring like a man in fire or lime…

Dim, through the misty panes and thick green light,

As under a green sea, I saw him drowning.

In all my dreams, before my helpless sight,

He plunges at me, guttering, choking, drowning.

If in some smothering dreams you too could pace

Behind the wagon that we flung him in,

And watch the white eyes writhing in his face,

His hanging face, like a devil’s sick of sin;

If you could hear, at every jolt, the blood

Come gargling from the froth-corrupted lungs,

Obscene as cancer, bitter as the cud

Of vile, incurable sores on innocent tongues,—

My friend, you would not tell with such high zest

To children ardent for some desperate glory,

The old Lie: Dulce et decorum est Pro patria mori.

Achim Wagner

Achim Wagners Buch Flugschau ist im vorletzten Jahr erschienen, bei sic und hat meiner Meinung nach nur einen Bruchteil der Aufmerksamkeit bekommen, den er verdient.

auf den rücken fliegen

/voler sur le dos

 

vergleichsweise melonen

scheiben in schalen

auf der veranda ansonsten

charlotte

eine höfliche stiefschwester

die hinter dem duschvorhang

ein labor entdecken wird

oder ein magnetfeld

zum flitterwochentarif

 

Prynne

im untenstehenden Text habe ich Prynne bereits erwähnt. eine spannende Anknüpfung an Pound und nicht ohne Einfluss auf die englische Lyrik der Gegenwart. Übersetzt wurden die Texte von Ulf Stolterfoht und Hans Thill.

auf den Autor gestoßen bin ich durch das Dossier in den letzten beiden Schreibheften mit englischer Gegenwartslyrik zusammengestellt von Norbert Lange, hier ein Link zum leider vergriffenen Schreibheft 79 mit dem 1. Teil des Dossiers, der im Netz komplett einzusehen ist.

Taufer

Gestern drückte mir Hans Thill ein Büchlein aus der wunderbaren Reihe des Künstlerhauses Edenkoben in die Hand, die im Verlag Wunderhorn erscheint. Eine großartige Reihe (Prynne!).

Es handelte sich um das Buch Wasserlinge des Slowenischen Autors Veno Taufer in der Übersetzung von Daniela Kocmut. Diese verspielt avantgardistischen Texte Taufers stellen für mich auf den ersten Blick etwas wie einen Link dar zwischen Kosovel (den ersten slowenischen Autor, den ich wahrnahm, noch in der DDR, wo im Reclam Verlag Leipzig ein großartig ausgestatter Band erschien, T. Salamun und den jüngeren und jüngsten slowenischen Dichterinnen und Dichtern, von denen ich einige kennenlernen durfte. (Itzok Osojnik, Taja Kramberger, Jani Kovacic, Barbara Korun, Tatjana Jamnik)

es ist unglaublich, was in einem kleinen Land wie Slowenien an Dichtung entsteht.